Ich war mit 11 in Flachau/Oesterreich mit der Sportjugend RLP in
Sommerurlaub. Kinderferiencamp, weil ichs so toll fand bin ich das Jahr
drauf mit 12 wieder hingefahren. Dort traf ich die Leute, die
musikalisch gesehen, mein Leben veraenderten.
Waehrend wir in der Turnhalle Brennball spielten, kam jemand mit einem
CD-Player rein und er machte so ein komisches Lied an 'Monsterparty'
oder so aehnlich. Ich hab den Text vor lauter schnell nichtmal richtig
verstanden aber das eijeijeijeijei ging mir einfach nicht mehr aus dem
Kopf. Ab diesem Tag war es um mich geschehen, als allererstes nach
meinem Flachau-Urlaub fuhr ich mit dem Stadbus nach Bingen und kaufte
mir im, damals noch existierenden, Karstadt Rock'nRoll Realschule. Warum
gerade das Album? Fragt mich nicht, ich vermute mal, dass mich a) das
Cover angesprochen hat und b) die Auswahl sowieso eher beschraenkt war.
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Rock'nRoll Realschule hielt was ich mir erhofft hatte und ich fing an
nach und nach alle Alben zu kaufen . Bis zum heutigen Tag begleiten mich
die Aerzte auf laengeren Autofahrten mit ihren Liedern, die man immer
und immer wieder gerne hoeren kann.
Das Ereignis die Aerzte live blieb mir jedoch bis letzten Sommer
verwehrt. Ich weiss nichtmal so recht warum, aber irgendwie kam immer
irgendwas dazwischen. 2012 war es dann endlich soweit, bei drueckender
Hitze durfte ich mir die Band, die mich die letzten 8 Jahre begleitet
hat endlich in der Frankfurter Festhalle live erleben.
Ich muss sagen, meine Erwartungen wurden wieder nicht enttaeuscht, die
drei Herren haben ewig lang gespielt, das richtige Mass zwischen schnell
und langsam, bekannt und unbekannt, sowie Dummgeschaetz und Musik
gefunden.
Neben 'uns' die Menschen, die Aerzte hoeren gab es auch immer ein 'die
anderen'. Nicht etwa die Anderen, die die Aerzte nicht kennen oder nicht
zu schaetzen wissen, sondern die Andern, die Toten Hosen hoeren.
Solange ich denken kann gab und gibt es kein (oder zumindest in den
seltesten Faellen) ein 'Die Aerzte' und 'die toten Hosen' sondern nur
ein 'die Aerzte' ODER 'die toten Hosen'. Das ganze war ein bisschen wie
Katzen- und Hundemenschen, oder WIZO und Terrorgruppefans - beides geht
nicht, es gab immer nur ein entweder oder. In vielen Faellen ging dieser
Abgrenzungszwang dann soweit, dass man als Aerztefan lauthals ueber die
Hosen herziehen musste und umgekehrt.
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Das Warum blieb und bleibt auch heute noch, zumindest fuer mich, offen.
Vermutlich das selbe Verhalten, welches Buettenredner und ganze
Fastnachtsgemeinden auf einmal dazu bringt ihr Nachbardorf abgrundtief
zu hassen oder die in Rheinland-Pfalz doch sehr ausgepraegte Abneigung
gegenueber Hessen, Koeln gegen Duesseldorf und so weiter. Scheinbar muss
man sich einfach abgrenzen.
Ich fuer meinen Teil hab mich zumindest im Aerzte-Hosen-Konflikt einfach
rausgehalten. Ich mag die Aerzte und die Hosen gingen mir schlicht und
ergreifend am Arsch vorbei.
'An Tagen wie diesen' ging mir nach ein paar Wochen in Radiodauerschleife auf die Nerven, aber das wars dann auch.
Weshalb ich Samstag trotzdem auf ein Konzert war? Meine liebe Mama gibt
wenig auf die Aerzte, dafuer umso mehr auf die toten Hosen. Also
entschieden meine weder-Aerzte-noch-toten-Hosen-Schwester und ich meiner
Hosen-Mama drei Karten fuer Campinos 51-Geburtstag-Konzert am Bostalsee
zu schenken.
Gesagt getan, Samstag war es soweit. Allein das Line-up welches neben
den Hosen noch mit PIL, Bob Geldof und Turbonegro aufgestockt wurde,
sorgte dafuer, dass ich gespannt auf den Abend war.
Aber wie kams? Die Supportacts haette man sich (zumindest fuer mich)
auch sparen koennen, nicht weil sie schlecht waren, sondern weil die
Headliner alles andere in den Schatten stellten, denn das Konzert war,
grandios!
Ich bin erwatungslos hin und einfach nur aus allen Wolken gefallen.
Nach anfaenglichem Stress, in Sachen, 2km Anreise zu Fuss (Parkplaetze?
Pfff, total weit weg), Essen/Trinken kaufen (die uebliche Auswahl, die
ueblichen Preise), 20 Minute Toilette anstehen (es gab immerhin
Klowagen) und noch hundert anderen Dingen (reinkommen, Taschenkontrolle,
stundenlang auf Bier warten), wurde das Konzert mit einem
energiegeladenen blendend aussehenden Campino eroeffnet. Ich dachte
anfangs die Einspielungen in Sepia auf den LEDs seien alte Aufnahmen, da
der werte Saenger fuer meine Begriffe absolut nicht nach 51 aussah.
Aber dieses Detail war dann doch eher irrelevant gegen den Rest.
Man koennte im Grossen und Ganzen sagen, dass die Buehnenshow, der der
Aerzte glich. Ebenfalls stimmlich sehr nah an den Studioaufnahmen, gute
Songauswahl (auch nicht-Fans wie ich kannten genug um Spass zu haben,
auch wenn ich bei Bonny & Clyde dummerweise grad aufm Klo war) ein
bisschen Rumfliege-Papier-Glitzer-Deko und man wusste auch das Publikum
zu motivieren.
Trotzdem gab es dann doch einige Sachen, die das Hosen Konzert fuer mich
eindeutig besser machten. Angefangen mit dem Hinweis und der Widmung
fuer Amnesty International, der unglaublich beeindruckende Auftritt des
Konzertbesuchers Nick oder auch die krachironische Ansage von 'Schrei
nach Liebe': 'Wir haben da ne vielversprechende Berliner Nachwuchsband
aufgetan...'.
Aufgefallen ist mir zudem, dass im Gegensatz zu den Aerzten jegliche
Aufmerksamkeit bei Campino liegt (die anderen Bandmitglieder haben kein
Wort waehrend des ganzen Auftritts geredet) - ob das nun gut oder
schlecht ist kann jeder fuer sich beurteilen. Auch auf die Gefahr hin
mich zu wiederholen, kann ich ein solches Liveerlebnis jedem nur
empfehlen.
Zur Verteidigung der Aerzte muss ich aber hinzufuegen, dass ich zum
einen sowieso lieber Openair-konzerte mag und zum anderen es vielleicht
nicht ganz gerecht ist ein 51.-Geburtstagskonzert mit einem
Zusatzhallenkonzert zu vergleichen.
Leider hab ich aber nichts anderes zu vergleichen deshalb bleibts eben dabei.
Ihr merkt schon, ich kann mich nicht so ganz entscheiden. Aber eins
steht nun seit Samstag fuer fest: Fuer mich gibt es ab sofort nicht mehr
nur die Aerzte, sondern auch die toten Hosen! Da muessen sich die
beiden wie auch bei einigen anderen Fans den Platz halt teilen :)
P.S.: Nichts desto trotz (kann man das ueberhaupt schreiben?) muss ich
doch nochmal was zur grundsaetzlichen katastrophalen Organisation der
Veranstaltung sagen. Ich habe schon mehrere solcher Ackerveranstaltungen
mitgemacht, aber niemals so eine beschissene Parkplatzsituation gehabt.
Das anfaengliche Hoffen und Bangen, dass es nicht richtig regnet (Autos
kommen nicht mehr vom Platz) wurde von dem Unverstaendnis darueber
abgeloest, warum man zur Hoelle gute 2 Stunden nicht vom Platz kommt.
Der ein und selbe Einweiser gibt einem 3 Grundverschiedene Anweisungen
und nichts und niemand kommt mehr vorran und keiner weiss wieso. Top.
Waere der Abend nicht so gut gewesen, waere er dadurch komplett versaut
worden.
Originalartikel vom 25.Juni 2013